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Erinnerung an zwei Bücher

Um es gleich vorweg zu sagen, Hans-Olaf Henkels Buch "Die Macht der Freiheit" soll hier nicht umfassend beschrieben werden, es gehört nicht zu den vergessenen Büchern, es ist ein Bestseller.

Trotzdem möchte ich es an den Anfang meiner Betrachtungen stellen, weil es mich zum Wiederauffinden des anderen Buches geführt hat. Henkels Buch ist ein autobiografisches Werk, das ein Stück westdeutsche und internationale Wirtschaftsgeschichte von der Nachkriegszeit bis zum Anfang des 21. Jh. aus der Sicht eines Erfolgsmenschen beschreibt, der für diesen Erfolg hart und zielstrebig gearbeitet hat.
Es beeindruckt durch offene und humorvolle Beschreibung auch sehr persönlicher Erfahrungen, ohne den Eindruck zu erwecken, hier schüttet jemand sein Leben in die Öffentlichkeit.
Wenn man dieses Buch in der ehemaligen DDR liest, muss man zwangsläufig seine philosophische Beschreibung des gleichseitigen Dreiecks von Freiheit, Gleichheit und Solidarität, das der Autor aus der französischen Revolution 1789 (Liberté, Égalité, Fraternité) herleitet, an den Verformungen dieses Dreiecks in der Planwirtschaft einer Ideologie, die sich als Utopie entpuppte, messen.

Hat das Übermass an Gleichheit und die Einschränkung an Freiheit in der DDR dazu geführt, dass solche Erfolgsbiografien dort nicht zu verzeichnen sind und man sich an diverse Ersatzerfolge, sei im Sport oder aus der Unterhaltungsbranche ostalgisch klammert ?

Mit solchen Gedanken beschwert, kamen mir beim Vergleich der vom Autor beschriebenen Jugendzeit mit Comics, Jazz-Platten und Beatles-Live-Konzerten in Deutschland-West, Erinnerungen an die Mühen der Ebene in Deutschland-Ost, an solche Dinge heranzukommen. Zerfledderte Comic-Hefte, getarnt in Zeitungspapier eingebunden, heimlich in der Schule weitergereicht. Stundenlanges Schlangestehen nach einer Beatles-LP von Amiga. Jazz-Platten im schwarzen Beerdigungs-Cover-Look, die ich allerdings heute noch besitze.

Als ich dieses Buch, in wenigen Tagen ausgelesen, weglegen wollte, drängte sich ein anderes aus dem Regal in die Erinnerung mit unscheinbarem gelben Pappeinband. Der Autor, Prof. Werner Gilde, Direktor des Zentralen Instituts für Schweisstechnik Halle, Wissenschaftler, Manager - pardon - Betriebsleiter, Hobbysegler, Weltbürger -pardon - Reisekader (DDR-Wortschöpfung), ein wichtiger Devisenbringer für den DDR-Staat, gibt aus einem Wirtschaftssystem, das historisch als gescheitert gilt, Ratschläge für den Erfolg. Und was für Ratschläge ! Oberflächlich gelesen, ergibt vieles das Bild eines loyalen Wirtschaftslenkers der DDR-Industrie, schliesslich wird Marx und Lenin zitiert, gründlicher durchdacht, ist schnell vergessen, aus welcher Zeit, aus welchem Land die Ratschläge stammen. Allein die vorangestellten Aphorismen bereiten von Kapitel zu Kapitel Lesevergnügen. Wenn heute manche Startups nur einen Teil seiner Erfahrungen zum Umgang mit Zeit nutzen würden, manche Firmenpleite wäre zu vermeiden.
Der Autor beschreibt Zeit als Produktionsfaktor, immer pendelnd zwischen naturwissenschaftlicher und sozial-psychologischer Betrachtungsweise, nimmt menschliche Schwächen humorvoll aufs Korn, zeigt vielfältige Wege auf, sich von unnötiger oder unsinniger zeitfressender Arbeit zu befreien.
Wer dieses Buch in Ostdeutschland noch besitzt und sein vorwiegendes Arbeitsleben in der DDR verbracht hat, sollte es nochmal lesen, es erinnert den Leser daran, dass er inzwischen Lebenserfahrungen aus zwei Wirtschaftssystemen besitzt.

Schwejkiaden

..Der brave Soldat Schwejk hat wohl in jeder Armee der Welt die Chargen ab Unteroffizier aufwärts schon mal zur Weißglut gebracht... Jaroslav Hasek hat mit ihm ein Symbol geschaffen, das so überzeugend für eine Sinnlosigkeit militärischen Alltags steht, dass auch rechtschaffende Militärs, die Ihr Engagement für den Schutz von Frieden und Demokratie begreifen, sich nur schwer mit diesem Kameraden anfreunden können Keiner wird bestreiten, dass Haseks Buch zur Weltliteratur gehört und wer es besitzt hat wohl auch beim Kauf darauf geachtet, dass es mit den ebenfalls weltbekannten Illustrationen des Zeichners Josef Lada versehen ist. In Tschechien ist er auch heute noch der heimliche Nationalheld.

Verfilmt mit Heinz Rühmann ist die Geschichte auch Lesemuffeln durch mehrfache TV-Wiederholungen bekannt.
Weniger bekannt ist die wohl beste Verfilmung dieses Romans, mit Rudolf Hrusinsky als Schwejk unter der Regie von Karel Stekly, gedreht in den tschechischen Filmstudios Barrandov.
(Ein Geheimtipp für Cineasten)

Wer mal beim Militär war, freiwillig oder unfreiwillig, hat dort Dinge erlebt, die man eben nur mit Schwejk'scher Mentalität erfassen kann.
Nennen wir diese Erlebnisse mal "Schwejkiaden". Hasek hat ja sein Buch nie vollendet, denn diese Geschichten tauchen immer wieder auf. Ich war selbst (gottseidank) nur drei Monate beim Militär, aber habe selbst in dieser kurzen Zeit solche Schwejkiaden erlebt. So wurde im Raum der politischen Schulungen unserer NVA-Kompanie nachts immer das extra auf einem dekorierten Bücherbord präsentierte Buch des Monats, irgendein trutziger Parteiroman, den eh' niemand las, ausgetauscht durch den braven Soldaten Schwejk.
Bis irgendein höheres Tier Haseks Buch aus der Bibliothek entfernen lies. Eine andere Schwejkiade, die ich erlebt habe, ist in der Rubrik Scherzhaftes beschrieben.

Angesichts der verstärkten weltweiten Aufrüstung, der Erhöhung von Militärausgaben, sollte das Buch wieder mal öfter gelesen werden. Von Politikern...

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